Vor 100 Jahren war Carneval verboten
Wie die Dammer 1922 trotzdem feierten
Damme. Die Vorbereitungen für den Rosenmontagsumzug 1922 liefen ab Anfang Januar bereits auf Hochtouren. Doch dann traf die Dammer Carnevalisten drei Tage später wie ein Blitz aus heiterem Himmel das Karnevalsverbot der Reichsbzw. Landesregierung, das sich gegen alle „öffentlichen Lustbarkeiten“ närrischer Art richtete. Die Irritation war zunächst groß, wiewohl die närrische Versammlung am 18.1. noch geradewegs trotzig die bekannte Strophe „Drum geht das Reich nicht unter“ sang, doch sieben Tage später beantragte einer der sechs (!) anwesenden Narren „die Auflösung der Gesellschaft auf der nächsten Generalversammlung“. (Der Antrag wurde natürlich am 8.2. ohne Rückhalt abgeschmettert.) Bezeichnenderweise sind auf all diesen und den folgenden Sitzungen Präsident Franz Kleyböcker und Vizepräsident Heinrich Schilgen nicht anwesend.Mit der außerordentlichen Generalversammlung am 8.2. allerdings war die Irritation dann vorbei: Man hatte die närrisch angemessene „Umgehung“ gefunden. Der anderthalb Jahre zuvor gegründete TuS Dammensia musste für die beschlossenen getarnten Carnevals-Aktivitäten herhalten. Am 5. und 12. Februar täuschte man „Theaterabende“ im Saale Droste vor, wo laut OV-Anzeige folgende „Komödien“ gespielt wurden: „Der Herr Konfusionsrat“, „Schuster Sohle und sein Ideal“, „Eckensteher Nante im Verhör“, „Budenzauber“ und schließlich „Freiübungen“. Das war natürlich nichts anderes als das, was heute unter Galasitzung mit Büttenreden, Tanz- und Liedvorträgen verstanden wird!
Die somit eingeschlagene „sportliche Linie“ gipfelte schließlich in einem „Großen Wintersportfest des Turn- und Sportvereins Dammensia“, das „zufälligerweise“ am 20. Februar, also am Dammer Rosenmontag, stattfand. Das Programm kam den Narren selbstverständlich bekannt vor: „10 ½ Uhr vormittags Antreten der Turner vor dem Vereinslokal Sellmann. Anschließend großer Werbeumzug durch den Ort unter Vorantritt der Steinfelder Musikkapelle. Die Altersriege (Turnfreunde) wird erstmalig öffentlich auftreten. Danach turnerische Vorführungen in Lilienthal, woran sich ebenfalls die Altersriege beteiligen wird. Zum Massenbesuch wird freundlichst eingeladen.“ Ansonsten luden wie immer„ Drosten Hein“ zum Ball am Sonntag zuvor und Ww. Tepe am Montag (klein gedruckt: „Rosenmontag“) zum „Großen Tanzbetrieb“. (friemo)