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Sonderveröffentlichung

Zwischen Tanzlustbarkeit, Branntweinbrennerei und Gemeindeverwaltung

Große und kleine Schätze aus der Geschichte Linderns gefunden

In den Archiven der Heimatbibliothek in Vechta werden historische Dokumente aus dem Oldenburger Münsterland geordnet, bearbeitet und ausgewertet. Auch die Fundstücke aus der Ratsklause in Lindern befinden sich hier. Künftig soll über ein Bestandsverzeichnis der Zugriff auf verschiedene Themen, aber auch anhand von Orts- und Personennamen möglich sein.

14.09.2021

Auch der Heimatbund beteiligt sich mit einem Bericht über die Ratsklause – von ihren Anfängen im Jahre 1815, von deren Besitzern und ihrem Umfeld – an diesen Sonderseiten. Im Januar 1815 liegt ein Heuerkontrakt wegen des Kruges zu Lindern vor. Konzessionen, die gefunden wurden, gingen bis ins Jahr 1847 zurück. Auch über Salzverkaufsrechte und einer Brennerei mit Brennrechten von 1818 bis 1836 belegen die Unterlagen.
 

Alte Dokumente: Erstmals lässt sich eine Gastwirtschafts-Konzession für die Familie Remmers 1815 nachweisen. Bernd Anton Remmers unterschrieb den gedruckten „Heuer-Contract“ zunächst für ein Jahr. Fotos: Heimatbibliothek Vechta
Alte Dokumente: Erstmals lässt sich eine Gastwirtschafts-Konzession für die Familie Remmers 1815 nachweisen. Bernd Anton Remmers unterschrieb den gedruckten „Heuer-Contract“ zunächst für ein Jahr. Fotos: Heimatbibliothek Vechta

Die Ratsklause befindet sich in Lindern mitten im Ort und direkt an der Kirche. Als 2019 Umbauarbeiten begannen, wurden wertvolle Archivalien aus dem 17. bis 20. Jahrhundert entdeckt. Sie befinden sich derzeit zur Ordnung und Bearbeitung in der Heimatbibliothek in Vechta. Die meisten Unterlagen fallen in die Zeit der Familien Remmers und Dröge seit dem frühen 19. Jahrhundert. 1815 pachtete Bernd Anton Remmers (ca. 1765-1816) die Krug-Wirtschaft in Lindern und bekam damit die notwendige Konzession. Sein Sohn Diedrich Anton führte die Gastwirtschaft nach seinem Tod fort.

Diedrich Anton Remmers war ein umtriebiger Mann, der für die Geschicke seines Kirchspiels eine große Rolle spielte. Denn er war nicht nur Gastwirt, Branntweinbrenner und Händler, sondern auch Beigeordneter des Kirchspielvogtes (später Vogt und Gemeindevorsteher), Bonitätsprüfer, Grenzzollaufseher und Kirchenprovisor. Aus dieser Fülle an Ämtern stammen die erhaltenen Unterlagen, die ein facettenreiches Licht auf die Geschichte Linderns werfen: Prozessakten oder die Versteigerung von Pfandstücken dokumentieren den Umgang mit Schulden. Vormundschaftsunterlagen zeugen von einer hohen Sterblichkeit und dem Bestreben, die minderjährigen Kinder adäquat zu versorgen. Inventare erlauben einen tiefen Einblick in die Einrichtung der Häuser. Unterlagen des Grenzzolls zeugen von der früheren Nähe Lindern zum hannoverschen „Ausland“. Die Gemeindefinanzen mussten ebenso verwaltet werden wie der Kirchenfonds. In die Zeit der Gemeindevorsteher und Kirchenprovisoren der Familie Remmers fiel zudem der 1863 fertiggestellte Neubau der Kirche. Und auch private Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mussten gepflegt werden.
 


Unterlagen werfen ein facettenreiches Licht auf die Geschichte Linderns


Beispielsweise ersuchten die Wirte Linderns 1833 um die Genehmigung, eine geplante Tanzlustbarkeit auch in den zwei bis drei Stunden zwischen den Gottesdiensten am Sonntagmorgen und -nachmittag stattfinden zu lassen. Denn es seien sehr viele „sich sonst im Holländischen aufhaltende Handelsleute“ zuhause. Alle sollten ihre „Tanzlust“ befriedigen dürfen, doch fürchten die Wirte Unordnung und Unruhe, wenn gerade die jungen Leute in dieser Zeit von Wirtshaus zu Wirtshaus ziehen. Das Amt genehmigt dies jedoch nicht: Man solle lieber direkt nach der Vesper beginnen und hätte damit bis zum Schluss um zehn oder spätestens elf Uhr ausreichend Zeit. Für die Ordnung könnte bei Bedarf und auf Mitteilung ein Dragoner entsendet werden. Das Amt betont zudem, dass es dem Kirchspielsbeigeordneten Remmers, der ja selbst Wirt war, keinen Eigennutz unterstelle.
 

Ein Briefentwurf aus dem Jahr 1827 berichtet vom Wunsch der Linderner, jährlich drei Jahrmärkte abhalten zu dürfen, wie es auch in den Nachbarkirchspielen üblich sei. Die Wege von Lindern zu den bestehenden Märkten in Essen, Löningen, Lastrup und Cloppenburg würden zwei bis vier Stunden in Anspruch nehmen. Das sei für den Verkauf von Vieh – insbesondere werden hochträchtige Kühe genannt – und anderen Waren zu beschwerlich. Der Markt in Werlte sei zwar nur eine Stunde Weges entfernt, „aber lieber Gott! – da muß für ein Pferd 2 Reichstaler, und für eine Kuh 1 Reichstaler […] an Steuer ohne den Zoll gezahlt werden; öfters hat der Arme Landmann kaum so viel Geld, daß er seinen Durst mit einer Kanne Bier stillen kann.“

Werlte befand sich 1827 bereits im Ausland und es mussten für Warentransporte Zölle bezahlt werden. Die Genehmigung von Märkten in Lindern hätte dagegen den Vorteil von Zoll- einnahmen durch Besucher des Marktes aus Werlte und anderen Orten jenseits der Grenze. Die Vieh- und Kramermärkte sollten jeweils donnerstags stattfinden, und zwar nach Ostern sowie im August und im November zu den Feiertagen der Heiligen Laurentius und Martin. Eva-Maria Ameskamp

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