Wer ist Erbe, wer hat Anspruch auf einen Pflichtteil?
Pflichtteilsverzichtsvertrag sichert Alleinerbenbestimmung bei kinderlosen Ehepaaren rechtlich ab / Notarielle Beurkundung erforderlich
Wenn ein Ehegatte verstirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen, greift die gesetzliche Erbfolge. Anders als viele glauben, ist der überlebende Ehegatte hiernach im Regelfall jedoch nicht der gewünschte Alleinerbe des Verstorbenen, sondern nur Miterbe.
Wenn keine Kinder vorhanden sind und die Ehegatten in der üblichen Zugewinngemeinschaft gelebt haben, beträgt die Erbteilsquote des überlebenden Ehegatten 3/4. Daneben sind als Miterben die Eltern des Verstorbenen bzw., sofern diese bereits vorverstorben sind, die Geschwister des verstorbenen Ehegatten berufen. Auf diese entfällt eine Erbquote von 1/4. Diese Rechtsfolge ist in den meisten Fällen nicht gewünscht. Um sie zu verhindern, ist es jedoch zwingend erforderlich, dass Ehegatten sich im Rahmen eines Testaments gegenseitig zu Alleinerben einsetzen.
Ist eine solche Alleinerbenbestimmung zugunsten des anderen Ehegatten getroffen worden, müssen kinderlose Eheleute eine weitere Rechtsfolge bedenken: Sollten im Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten ein oder beide Elternteile des Verstorbenen noch leben, so steht ihnen gegen den überlebenden Ehegatten ein Pflichtteilsanspruch zu (§ 2303 Abs. 2 BGB). Bei dem Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen reinen Zahlungsanspruch. Die Höhe des Pflichtteils richtet sich nach der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, d.h. im Fall der Zugewinngemeinschaft steht den Eltern gegen den überlebenden Ehegatten ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1/8 nach dem Wert des Nachlasses des verstorbenen Ehegatten zu. Mithin kann der überlebende Ehegatte auch in diesen Fällen gezwungen sein, sich mit der Familie seines verstorbenen Ehegatten auseinanderzusetzen.
Im Vertrauen darauf, dass die Eltern ihren Pflichtteil nicht geltend machen, wähnen sich viele Ehegatten in vermeintlicher Sicherheit und erkennen zu ihren Lebzeiten keinen Handlungsbedarf. Diese Sicherheit ist jedoch trügerisch: Denn auch wenn die Eltern stets versichern, ihren Pflichtteil nicht geltend zu machen, so schließt dies nicht aus, dass dieser später durch Dritte eingefordert wird. Insbesondere sind hier vier Konstellationen zu nennen:
1. Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit der Eltern und der Bestellung eines gesetzlichen Betreuers, der in den meisten Fällen zu einer Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gehalten sein wird.
2. Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch einen (Vorsorge-)bevollmächtigten des geschäftsunfähigen Elternteils. Häufig handelt es sich bei den Bevollmächtigten um Geschwister des verstorbenen Ehegatten, welche auf der Grundlage einer Vollmacht der Eltern in ihrem Namen den Pflichtteil von dem überlebenden Ehegatten verlangen.
3. In dem Fall, dass die Eltern nach Entstehen des Pflichtteilsanspruchs versterben. Denn auf diese Weise geht der Pflichtteilsanspruch auf die Erben des verstorbenen Elternteils über und kann von diesen gegen den überlebenden Ehegatten geltend gemacht werden.
4. In dem Fall, dass ein Elternteil Sozialhilfeleistungen bezieht, hat der Sozialhilfeträger das Recht, den Pflichtteilsanspruch auf sich überzuleiten (§ 93 SGB XII) und gerichtlich geltend zu machen, auch wenn der Pflichtteilsberechtigte selbst, also das betreffende Elternteil (oder dessen Betreuer oder Bevollmächtigter), den Pflichtteil nicht verlangen will.
Jede der vorgenannten misslichen Situationen kann auf einfachem Wege verhindert werden, nämlich durch den Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages jedes Ehegatten mit seinen Eltern. Ein solcher bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung und sollte mit einer umfassendenerbrechtlichen Beratung verbunden werden.
Für den Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages streiten nach alledem insbesondere im Fall von kinderlosen Ehegatten viele Argumente, weshalb sich eine diesbezügliche, eingehende Beratung durch eine(n) Rechtsanwalt/Rechtsanwältin bzw. eine(n) Notar(in) in jedem Fall lohnt. Von Dr. Sarah Höffmann, Rechtsanwältin und Notarin