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Kreativität zwischen Dreck und Dornen

Floristen setzen jede Blüte in Szene

An Muttertag oder Weihnachten wird es im Blumenladen besonders stressig: Als angehende Floristin weiß Lisa Eva Zienc, was sie dann erwartet. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

11.09.2020

Wer Floristin werden will, braucht nicht nur Sinn für Ästhetik, sondern auch Leidenschaft und Durchhaltevermögen. Denn die Vergütung ist gering, die Konkurrenz groß.
      

Berlin. Es ist ein großer Temperatursturz, von der hochsommerlichen Hitze in den kühlen, etwas dunklen Blumenladen einzutreten. Zwischen Gestecken, Grußkarten und einem plätschernden Brunnen macht Lisa Eva Zienc seit zwei Jahren ihre Ausbildung.

Sie ist eine von etwa 2500 angehenden Floristen und Floristinnen in Deutschland, wobei der Anteil an Männern nicht einmal bei zehn Prozent liegt. Bei „Blumen- und Gartenkunst“ in Alt-Moabit (Berlin) pflegt Zienc Pflanzen, bindet Sträuße und hebt auch mal schwere Wasserkanister.
       
Ein Strauß muss jeder Blume gerecht werden

Zienc gefällt das praktische Arbeiten – und dass sie ihre Kreativität einbringen kann. „In der Ausbildung habe ich richtig sehen gelernt“, erklärt sie und bindet einen ausladenden Strauß ab. „Es geht eigentlich immer darum, jeder Blume in ihrer Farbe, Form und Wuchsrichtung gerecht zu werden.“

Also aufmerksam beobachten, ob die Blütenfarbe warm und kalt ist und welches Schnittgrün dazu passt, sodass der fertige Strauß harmonisch abgestimmt ist und sich jede Blüte „zum einen gut in das Ganze einfügt, zum anderen aber auch einen Platz erhält, an dem sie bestmöglich inszeniert wird und wirken kann“, erklärt Zienc.
     

Floristik ist in erster Linie ein ästhetischer Beruf, bei dem das Handwerk aber nicht zu kurz kommt. Gerade die körperliche Belastung – der Temperaturwechsel zwischen Lagerraum, Büro und Verkaufsraum, das stundenlange Stehen oder auch das Abdornen von Schnittblumen – kann Auszubildende abschrecken.

„Man muss schon Dreck gut aushalten können und sollte eher nicht allergisch auf Pollen sein“, erklärt die 19-jährige Berivan Schachtner. Sie ist im dritten Lehrjahr in einem Blumengeschäft im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

Ihr gefällt der Spirit des Geschäfts: lieber etwas Wildwuchs als ein klinisch reines Blumengeschäft. Neben der praktischen Arbeit im Betrieb wird in der dreijährigen Ausbildung an der Berufsschule auch Farbenlehre, Raumgestaltung und Pflanzenpflege vermittelt.

Zienc erzählt, dass es in den ersten Monaten nach Ausbildungsbeginn in der Berufsschule einigen „Schwund“ gab. Deswegen ist ein Praktikum vor der Ausbildung sinnvoll, um nicht nur die schönen Sträuße, sondern auch die Herausforderungen des Berufs besser kennenzulernen.

Bei einer Ausbildungsvergütung, die laut Bundesagentur für Arbeit bei zwischen 500 und gut 600 Euro im ersten Lehrjahr liegt, entscheiden sich Auszubildende aus Freude am Beruf und nicht aus finanziellen Erwägungen für die Floristik. Als Gesellin oder Meisterin verdient eine Floristin dann durchschnittlich etwa 1640 Euro brutto im Monat.

Die eigene Handschrift beim Sträußebinden

An Feiertagen wie Mutter- oder Valentinstag ist besonders viel los. „Weihnachten ist die wildeste Zeit“, erzählt Zienc. Gerade, wenn andere feiern, ist für Floristinnen viel zu tun und bei einer Zehn-Stunden-Schicht sind dann auch die Illusionen vom gemütlichen Sträußebinden verschwunden, betont Andreas Thomas Tunger, Ausbilder und Inhaber bei „Blumen- und Gartenkunst“.

Sträuße und Gestecke binden Floristen und Floristinnen aber nicht nur für Feiertage, sondern für verschiedenste Anlässe. „Ich bin eher der Typ für Beerdigungen“, erklärt Schachtner lachend. Sie macht lieber dezente Gestecke statt möglichst bunter Sträuße.

Mal möchte jemand besonders angesagte Blumensträuße, wie er sie zum Beispiel bei Pinterest gesehen hat, mal braucht jemand Rat beim Umtopfen seiner Zimmerpalme. Besonders schön ist es, wenn Kunden direkt nach ihrer Lieblingsfloristin fragen, denn beim Sträußebinden hat jede ihre eigene Handschrift.

„Bei der Auswahl meiner Auszubildenden ist es mir wichtig, dass sie in unser Team passen, das ist noch wichtiger als beispielsweise gute Noten“, sagt Tunger.

Früher zählte der Floristikberuf zum Handwerk, heute zum Einzelhandel. Kaufmännisches Denken ist also gefragt. Nach wie vor gilt allerdings: Aufwendige Blumenarrangements sind eine Kunst und eine gute Beratung der Kundschaft Ehrensache: Welcher Blumenstrauß passt wirklich gut zu einer zierlichen Braut? Sollte man bei einer Gartenparty im Hochsommer schnell welkende Pfingstrosen wählen? Und wie oft gieße ich eigentlich meine Efeu-Tute?

Nach der Ausbildung stehen Floristinnen und Floristen verschiedene Wege offen. Für das Eröffnen eines Blumengeschäfts braucht es eigentlich keinen Abschluss als Floristik-Gesellin oder Meisterin, im Grunde kann jeder einen Blumenladen aufmachen.

Dann heißt es, früh aufzustehen, um im Großmarkt frische Blumen und andere Pflanzen zu kaufen und im Ladengeschäft gut zu präsentieren. Besonders in großen Städten wie Berlin ist der Preisdruck und die Konkurrenz aber groß.

Freundliche Beratung mit Gespür für jeden Kunden

In Zeiten, in denen gerade Hochzeitsfeiern immer opulenter und die Erwartungen an so einen Tag geradezu unrealistisch werden, können dann besonders gelernte Floristen zeigen, was machbar und was unmöglich ist. Ein guter Florist habe das Spiel von Licht und Farbe verstanden und könne zum Beispiel auch in dunklen Kirchen Blumen zur Geltung bringen, so Tunger. (dpa/tmn)
    

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