Christoph Krogemann - Der letzte Fassmacher von der Weser
Seine Kunden: Weingüter und Destillerien, aber auch Privatleute / Gearbeitet wird zum Teil wie vor hundert Jahren
Bremen. In der Fassfabrik Alfred Krogemann in Bremen-Gröpelingen scheint die Zeit seit Langem still zu stehen - zumindest auf den ersten Blick. In der Werkstatt, in den Lagerhallen und auf dem Hof stapeln sich hunderte gebrauchte Fässer mit Patina: kleine, mittlere, große. Drinnen und draußen warten unzählige Eichenbretter darauf, zu neuen Fässern verarbeitet zu werden. In fast jeder Ecke steht eine andere Maschine, teilweise sind sie über 100 Jahre alt - so wie die, in der ein Fass verzinkte Reifringe aufgepresst bekommt. «Mein Vater nennt sie „das Biest“», sagt Fassmacher Christoph Krogemann, der die Werkstatt Anfang 2019 von seinem Vater Alfred Krogemann übernommen hat.
Negativ ist der Spitzname für die Maschine nicht gemeint, im Gegenteil: „Sie läuft noch wie am ersten Tag“, betont der 37-Jährige. Auch die mit Holz befeuerte Fass-Sauna, in dem die Fassrohlinge im heißen Wasserdampf biegsam gemacht werden, hat schon Jahrzehnte auf dem Buckel. „Nach einer halben Stunde im Kochkessel ist das Holz wie Gummi“, sagt Krogemann. Dann können die Längsstäbe - Dauben genannt - gebogen werden, um einen Reifen draufzusetzen. Christoph Krogemann führt die Bremer Böttcherei in dritter Generation. In die ganze Welt hat seine Familie schon Eichenfässer an Weingüter und Destillerien geliefert, die diese zum Lagern und Reifen ihrer flüssigen Delikatessen benötigen. Mal werden neue Fässer verkauft, mal gebrauchte, die Krogemann aufarbeitet.
Die Unternehmensgeschichte der Fassfabrik ist bis ins Jahr 1902 belegt, doch die Ursprünge reichen ins Mittelalter. Damals gab es viele Fassmacher in Bremen, die historische Böttcherstraße - heute eine Touristenattraktion - zeugt davon. In dieser Gasse zwischen Weser und Marktplatz hatten sich viele Fassmacher angesiedelt. Das Handwerk verlor mit dem Wandel in den Häfen schließlich an Bedeutung.
Die Fassfabrik Krogemann aber blieb, als einzige an der Weser und sogar in ganz Norddeutschland - weil sie mit der Zeit ging. „Ohne Internet würde es uns nicht mehr geben“, glaubt Christoph Krogemann. Im Online-Shop bietet er nicht nur Barrique- und Whiskyfässer an, sondern auch dekorative Pflanzkübel und Regentonnen aus alten Fässern. Auch der Boom an Destillerien steigerte die Nachfrage, erzählt Krogemann. Die Spirituosen-Hersteller nähmen gerne alte Wein- oder Schnapsfässer, die ihr Aroma an die neuen Füllungen abgeben. Die mit Rotwein, Sherry, Rum oder Whiskey getränkten Dauben von 225- Liter-Fässern werden dafür gekürzt und zu kleineren 30- oder 100-Liter-Fässern umgebaut.
Jetzt aber startet die Weinlese und damit steigt auch die Nachfrage nach neuen Barriquefässern. Barrique steht für die französische Bezeichnung und Mengeneinheit eines 225-Liter-Holzfasses. Bei der Herstellung hilft inzwischen eine computergesteuerte Maschine. Die verkürzt die Arbeitsschritte enorm. Das sei auch nötig, sagt Krogemann, denn Fassmachernachwuchs gibt es so gut wie nicht mehr. In seinem Betrieb hat er fünf Leute beschäftigt, auch seine Frau Nicole hilft mit. Abgesehen von der Unterstützung durch neue Maschinen hat sich das Handwerk in Jahrhunderten kaum verändert. Bevor die fertigen Fässer ausgeliefert werden, müssen sie mit Feuer von innen „getoastet“ werden. Das verhindert, dass die bauchig geformten Dauben mit der Zeit wieder gerade werden und brechen.
Aber es geht beim Toasten auch um den künftigen Geschmack der Weine. „Durch das Feuer wird die Gerbsäure im Holz in Aromastoffe wie Kaffee, Brombeere oder Vanille umgewandelt“, erklärt Krogemann. Entscheidend für die Geschmacksrichtung sei zum einen, woher das Holz stamme. „In amerikanischer Eiche steckt ganz viel Vanille.“ Wichtig sei aber auch, wie getoastet werde. „Schnell und heiß ergibt Röstaromen wie beim Kaffee.“ (dpa)
Von Janet Binder